3D-Druck-Technologien für Weich- und Hartgeweberegeneration – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche

2022-10-22 19:48:28 By : Ms. Vivian Yao.

Foto: Ladanifer - Shutterstock.com

Mit der stetigen Weiterentwicklung der modernen Medizin verlagert sich der Fokus immer stärker weg von allgemeingültigen Therapieprinzipien und hinzu an die individuellen Bedürfnisse eines Patienten angepassten und optimierten Behandlungsmöglichkeiten. Diesem kontinuierlich stattfindenden Wandel wird insbesondere in der Weich- und Hartgeweberegeneration durch die vermehrte Erforschung, Verbesserung und Nutzung additiver Fertigungstechnologien Rechnung getragen.

Unter Fertigungstechnologien wird eine Vielzahl von verschiedenen Techniken für die Schaffung dreidimensionaler Strukturen nach individuell gesetzten Vorgaben zusammengefasst, welche sich in ihrer Funktionsweise und den verwendeten Materialien unterscheiden.

Die für die Fertigung notwendigen Arbeitsschritte sind dabei für alle verfügbaren additiven Fertigungsmethoden äquivalent:

Das zu druckende Objekt wird zuerst erstellt und gescannt. Während der Scan für gewöhnlich mittels CT oder MRT erfolgt, können die benötigten Konstrukte auch unter Nutzung von „computer aided design“-Software (CAD) vollständig digital konstruiert werden. Dieses Vorgehen erlaubt die Fertigung eines an die individuellen Bedürfnisse bzw. vorliegenden Wundverhältnisse des Patienten angefertigten Gewebeersatzes.

Das erstellte Konstrukt wird in eine für den Drucker auslesbare Datei umgewandelt. Dazu wird das dreidimensionale Objekt in einzelne zweidimensionale Schichten übersetzt.

Das zu verwendende Druckmaterial in Abhängigkeit von den an das Konstrukt gestellten mechanischen bzw. strukturellen Eigenschaften und der genutzten Fertigungstechnik wird festgelegt.

Additive Fertigung des dreidimensionalen Konstruktes bzw. Gewebes. In Abhängigkeit von Material und 3D-Druck-Applikation können nachträgliche Aushärtungsprozesse bzw. bei Verwendung vitaler Zellen zusätzliche Inkubationszeiten nach Abschluss des Druckvorganges notwendig sein.1

Die bspw. für die chirurgische Weich- bzw. Hartgeweberegeneration zur Anwendung kommende Generierung künstlicher Gewebe unter Verwendung vitaler Zellen mittels 3D-Druck-Technologie wird als „Bioprinting“ bezeichnet. Dabei können zwei unterschiedliche Herstellungsansätze verfolgt werden:

a) Der „top-down“-Ansatz beschreibt die derzeit häufiger eingesetzte Methode. Hierzu wird zunächst eine Trägerstruktur mittels 3D-Druck hergestellt und anschließend mit den gewünschten Zellen besiedelt oder bedruckt. Die Trägerstruktur dient dabei nicht nur als Adhäsionsfläche für die Zellen, sondern fungiert, in Abhängigkeit vom verwendeten Material und der gewählten Mikrostruktur, auch als eine künstliche Extrazellulärmatrix (EZM) und kann durch zusätzliche Beladung mit Wachstumsfaktoren oder Nährstoffen zur Proliferationssteigerung beitragen. Nach Implantation kommt es zur Degradation der Trägerstruktur und zu einer zeitgleichen Schaffung einer eigenen EZM durch die inkorporierten Zellen.2

b) In der neueren, äußerst vielversprechenden „bottom-up“-Methode werden Zellen und Proteine zunächst zu mehreren Nano- oder Mikrostrukturen zusammengesetzt, welche durch zelluläre Selbstorganisation ihre eigene EZM schaffen und so zu einem funktionalen Gewebe zusammenwachsen. Durch die freie Zusammenstellung und Positionierung der mikrostrukturellen Einheiten lässt sich mit dieser Methode noch gezielter Einfluss auf die Gesamtstruktur des erschaffenen Gewebes nehmen.3

Die für den Druck organischen Gewebes verwendeten Materialien müssen einige grundlegende mechanische, biologische und chemische Anforderungen erfüllen.4 Dazu gehören neben einer grundsätzlichen Biokompatibilität auch eine für die jeweilige Druckapplikation geeignete Viskosität, die Möglichkeit der Modifikation, bspw. durch das Einbringen zusätzlicher proliferationsfördernder Proteine, oder auch die Biodegradierbarkeit, wie sie insbesondere für den „top-down“-Ansatz von entscheidender Bedeutung ist. Lediglich die mit vitalen Zellen beladenen Druckmaterialien werden per definitionem als Biotinten (Engl.: Bioinks) bezeichnet, während für alle zellfreien Materialien der Terminus „Biomaterialien“ Verwendung findet. Zu den eingesetzten Materialien gehören neben Hydrogel-basierten Stoffen, wie Kollagen oder Hyaluronsäure, welche durch ihre sehr guten biokompatiblen und biodegradierbaren Eigenschaften in einem breiten Anwendungsspektrum zum Einsatz kommen, auch vorpräparierte Zellaggregate und -pellets sowie bioaktive Moleküle, wie die bereits erwähnten Wachstumsfaktoren oder unterschiedliche Nanopartikel aus Gold und Silber, welche bspw. die mechanische Stabilität des Gewebes positiv beeinflussen oder die Zellviabilität fördern können.

Die aktuelle ISO 17296-2 definiert derzeit insgesamt sieben verschiedene 3D-Druck-Technologien, die sich wiederum in weitere Unterkategorien unterteilen lassen. Für die Herstellung künstlicher Hart- oder Weichgewebe unter Verwendung vitaler Zellen als Druckmaterial eignen sich aufgrund ihrer Zellviabilitäts-schonenden Funktionsweise gegenwärtig primär drei dieser Technologien.

Abb. 1: Für die Vat-Photopolymerisation wird sich die Eigenschaft photosensibler Materialien, bei Absorption von UV-Licht auszuhärten, zunutze gemacht, um mittels zielgerichteter UV-Bestrahlung die benötigten Konstrukte herzustellen.

Die unter dem Begriff der Vat-Photopolymerisation zusammengefassten 3D-Druck-Anwendungen nutzen flüssige, in einem entsprechenden Behältnis (Engl.: Vat) befindliche photosensible Polymere, welche Schicht für Schicht mittels UV-Quelle zur Aushärtung gebracht werden können. Der zu diesem Zweck in das Material eingebrachte Photoinitiator absorbiert die einfallenden UV-Strahlen und bildet aktive Spezies, die zu einer Polymerisation des Biomaterials führen. Durch unterschiedliche UV-Quellen oder technische Spezifikationen können auf Photopolymerisation basierende Drucker in zusätzliche Unterkategorien unterteilt werden.

Die wesentlichen Vorteile dieses Verfahrens liegen in einer relativ hohen Auflösung des entstehenden Konstruktes bei vergleichsweise kurzer Druckzeit. Da auf die Nutzung einer Druckdüse für den Materialausstoß verzichtet werden kann, kommt es nicht zur Entstehung von die Zellviabilität negativ beeinflussenden Scherkräften.5 Gleichzeitig ist die Auswahl der zur Verfügung stehenden Materialien stark eingeschränkt, da die meisten photosensiblen Polymere bei UV-Absorption aggressive Radikale bilden, welche eine Inkorporierung vitaler Zellen zumindest deutlich erschweren. Gegenwärtig werden auf Photopolymerisation basierende Drucker überwiegend für die Herstellung von Trägerstrukturen eingesetzt, welche mittels nachträglicher Aufreinigungsprozesse von entstandenen Radikalen gesäubert und anschließend mit adhärenten Zellen besiedelt werden können (Abb. 1).

Das Forschungsteam um Grogan et al. nutzte einen auf Photopolymerisation basierenden 3D-Drucker für die Herstellung einer Trägerstruktur aus Gelatine-Methacrylat (GelMa) und die nachträgliche Besiedlung mit humanen Meniskus-Zellen aus der avaskulären Zone.6 Das entstandene Konstrukt wurde nach zweiwöchiger Kultivierung in ein explantiertes Organ eingesetzt, wo eine erfolgreiche Ausdifferenzierung und Integration der Zellen in das umgebende Meniskus-Gewebe beobachtet werden konnte. Somit bietet dieses Verfahren beispielsweise einen innovativen und vielversprechenden zukünftigen Therapieansatz für die Behandlung von Meniskus-Schäden.6

Abb. 2: Material-Jetting beruht auf der kontrollierten Abgabe des Druckmaterials in Tropfenform. Dabei gibt es viele in ihrem Funktionsprinzip unterschiedliche Drucksysteme. Der für die Überwindung der Oberfl ächenspannung des Materials an der Düsenspitze notwendige Druck kann bspw. durch Heiz-Elemente und die daraus resultierende Bildung von Dampfblasen im Materialtank aufgebaut werden (A). Ein recht ähnliches Verfahren nutzt zu diesem Zweck stattdessen die Eigenschaft piezo-elektrischer Elemente, sich in Abhängigkeit der anliegenden Spannung auszudehnen oder zu kontrahieren (B).

Multi-Jet Modelling nutzt einzelne, variabel hinzuschaltbare Druckdüsen für den Auswurf des tropfenförmigen Druckmaterials. Bei den für diese Applikation geeigneten Materialien handelt es sich primär um flüssige Photopolymere oder Harze, die durch anschließende UV-Bestrahlung zur definitiven Aushärtung gebracht werden. Durch die parallele Verwendung verschiedener Druckköpfe lassen sich unterschiedliche Materialien gleichzeitig in dasselbe Konstrukt einbringen. Ferner zeichnet sich das Verfahren durch hohe Druckgeschwindigkeiten und Auflösungen von bis zu 10 µm aus, wodurch auch sehr feine Strukturen in vergleichsweise kurzer Zeit hergestellt werden können.7 Gleichzeitig bedarf es unter Nutzung dieses Verfahrens meist zusätzlicher parallel mit dem Objekt mitgedruckter Stützstrukturen, um eine ausreichende mechanische Stabilität des Konstruktes vor der finalen Aushärtung gewährleisten zu können. Diese Strukturen müssen im Anschluss an den Druck zumeist händisch vom Objekt entfernt werden. Auch ist das Risiko einer Verstopfung der Druckdüsen und dem daraus resultierenden Verlust von Qualität und Präzision im laufenden Druckvorgang insbesondere bei der Materialauswahl zu berücksichtigen (Abb. 2).

Koch et al. verwendeten einen auf der Funktionsweise des Multi-Jet Modelling beruhenden 3D-Drucker, um u. a. humane mesenchymale Stammzellen zu drucken und den Einfluss des Verfahrens auf Zellüberleben, Proliferationsverhalten und potenzielle DNA-Schäden zu analysieren.8 Es zeigte sich, dass die Stammzellen auch nach Druckprozess ihre charakteristischen Oberflächenmarker (CD44, CD105, CD29 und CD90) behielten und somit keine immunophänotypische Umwandlung der Zellen durch das Verfahren verursacht wurde. Diese Ergebnisse könnten den Grundstein eines neuen therapeutischen Einsatzes pluripotenter Stammzellen legen, welche direkt und mit höchster Präzision in das geschädigte Gewebe gedruckt und dort erst zur gewünschten Ausdifferenzierung gebracht werden könnten. 

Abb. 3: Extrusionsdrucker nutzen verschiedene Mechanismen, wie Druckluft (A), mechanische Kolben (B) oder motorisierte Schrauben (C) um die Bioink aus dem Düsenkopf auszustoßen. Auf diese Weise wird Schicht für Schicht das gewünschte Objekt gefertigt.

Auf dem Prinzip der Materialextrusion basierende Drucker nutzen einen kontinuierlich mittels mechanischer oder pneumatischer Kraft durch eine Düse ausgestoßenen Strahl des verwendeten Druckmaterials, welcher gemäß der vorgegebenen Objektdaten Schicht für Schicht in der Form des gewünschten Konstruktes aufgetragen wird.9 Die diesem Funktionsprinzip zugehörigen Applikationen unterscheiden sich primär in der für den Materialauswurf notwendigen Kraftquelle. Dazu zählen u. a. senkrecht auf das Material einwirkende Kolben, Schrauben oder auch alleinig auf Druckluft basierende Systeme. Aufgrund ihrer einfachen, auch einsteigerfreundlichen Handhabung, geringer Anschaffungs- und Betriebskosten sowie einer breiten Auswahl an möglichen Materialien gehören extrusionsbasierte 3D-Drucker zu den am weitesten verbreiteten additiven Fertigungstechnologien auf dem Feld des Bioprinting. Gleichzeitig gilt es, mehrere die Qualität und Zellviabilität beeinflussende Faktoren zu beachten und entsprechend zu modifizieren, um optimale Ergebnisse zu erhalten. Dazu gehören u. a. eine geeignete Viskosität des Materials, da hochviskose Stoffe zur Verstopfung der Düse führen können, wohingegen es unter Verwendung geringviskoser Substanzen zum Abbruch des Materialstrahls, Tropfenbildung und folglich einer unkontrollierten Materialabgabe kommen kann. Gleichzeitig können die bei Auswurf in der Düse aufkommenden Scherkräfte viabilitätsmindernd auf die für den Druck verwendeten Zellen wirken.

2017 konnten Kim et al. durch Einsatz eines kombinierten Extrusions- und Multi-Jet-3D-Druckers ein vollständiges Hautmodell, bestehend aus Dermis und eine der menschlichen Haut sehr ähnlich stratifizierten Epidermis, herstellen.10 Hierzu wurde mittels Materialextrusion eine Trägerstruktur aus Polycaprolakton und Gelatine-Hydrogel konstruiert und zusätzlich mit in Kollagen eingebetteten humanen primären Dermal-Fibroblasten bedruckt. Diese Arbeitsschritte wurden bis zur gewünschten Dicke des Gebildes von 3,5 mm wiederholt und dann mittels Multi-Jet-Druck eine abschließende Schicht humaner epidermaler Keratinozyten aufgetragen. Nach zweiwöchiger Inkubation des künstlichen Gewebes zeigte sich neben einem der menschlichen Haut sehr ähnlichen Dehnungsverhalten der Fibroblasten u. a. auch die Exprimierung von Kollagen und Dermis-spezifischer Differenzierungsmarker als Hinweise auf ein vollkommen künstlich hergestelltes und grundlegend funktionales Hautgewebe.

3D-Druck-Technologien für den Einsatz zur Weich- und Hartgeweberegeneration haben initial schon Einzug in die medizinische Forschung gehalten. Zukünftig bedarf es jedoch weiterer umfangreicher und intensiver Forschungs-, Entwicklungs- und Optimierungsprozesse, um das volle Potenzial dieser Technologien für die unmittelbare klinische Therapieanwendung erschließen zu können. Geben die oben genannten Beispiele nur einen sehr kleinen Einblick in die Möglichkeiten, die sich für die Verwendung des Bioprintings in naher Zukunft zur patientenindividuellen Therapie realisieren ließen, so wird bereits jetzt kontinuierlich und mitunter interdisziplinär an weiteren innovativen Verbesserungen der Verfahren gearbeitet. Beispielhaft seien u. a. der Einsatz künstlicher Intelligenz genannt, mit deren Hilfe die einzelnen Parameter auch im laufenden Druckprozess stetig überwacht und automatisiert im Sinne einer bestmöglichen Qualität des Objektes adaptiert werden können.11 Ebenso vielversprechend zeigt sich die Methodik des In-situ-Bioprintings und somit der Druck des gewünschten Gewebes unmittelbar in den Gewebedefekt des Patienten, wodurch retardierende In-vitro-Inkubationszeiten, potenzielle Kontaminationen vor Implantation und generelle Schwierigkeiten bei der korrekten Arretierung des vorinkubierten Gewebes in den Defekt entfallen könnten.12 Problemstellungen, wie eine mangelhafte Vaskularisierung des neuen Gewebes in vitro oder einer vollständig dem humanen Nativgewebe nachempfundenen Mikrostruktur werden global mit vielfältigen Lösungsansätzen angegangen und könnten somit bereits in absehbarer Zeit zufriedenstellend gelöst werden. Es liegt die Vermutung nahe, dass das Bioprinting in naher Zukunft weite Teile der modernen Medizin vollständig revolutionieren dürfte.

weitere Autoren: Sven Pantermehl, Prof. Steffen Emmert, Said Alkildani, Aenne Foth

Dieser Beitrag ist im Oralchirurgie Journal erschienen.

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